Montag, 22. März 2010

Schorsch, der Alpharüde erzählt

... von „Georgie“ - dem Stadthund zu Schorsch – dem Alpharüden des Dreigestirns
"Plaudereien mit meinem Sohn Magnus"


... da stand ich nun arg bedrüppelt, als gerade mal zehn Monde alter Rüde und nur durch einen Zaun von den beiden interessanten, aber leider despotisch tobenden Hündinnen getrennt! Ich gab mir verzweifelt alle erdenkliche Mühe, ihrem Empfangens-Groll so wenig Beachtung als möglich zu schenken! Drei aufreibende Wochen in denen mir sogar die Pein eines Kettenhundes nicht erspart blieb lagen hinter mir und ich war müde, sehnte mich nach der Geborgenheit der heimatlichen Couch  – weit, sehr weit fort von hier.
Die um mich stehenden Zweibeiner – das Alphapaar, das mich vor Wochen von Zuhause wegholte, deren Behausung aber ebenfalls von zwei meiner Artgenossen vehement gegen mich verteidigt wurde  und eine fremde Zweibeinerin - zeigten gefällige Mienen und bläfften sich viel-lautig an, während sie mich mit drei eifrigen Augenpaaren immer wieder beäugten. Irgendwann im Durcheinander ihrer Stimmen fiel auch mein Name – Georgie - woraufhin die Fremde sich an meiner Seite auf ihren Hinterpfoten niederließ und meinen Namen wiederholend, mir zu schmeicheln suchte. Jedesmal, vom Aufbruch zu meiner unfreiwilligen Reise an, war es ähnlich und würde wohl vermutlich auch so weitergehen – immer, wenn ich mich gerade einzugewöhnen begann, kamen die eigentlich recht gutmütigen Alphas um mich wieder in ein fremdes Revier zu bringen. Das machte mir genausoviel Angst, wie die immer noch weibisch-dominant keifernde Scheckenhündin, die mir ja nichtmal bis zur Schulter reichte, während die Andere, eine schwarzweiße Schönheit, mich inzwischen ungeduldig über das Tor hinweg anjaulte!
Nichts half, meine bisherigen Wegbegleiter übergaben den mich an seinen jeweiligen Halter zwingenden Strang dieser Zweibeinerin und verließen mich!
Mit dem Eintritt in das Reich der kleinen Furie und ihrer Gefährtin erfüllten sich all meine Befürchtungen – ich war ein Häufchen Unglück - wenigstens wurde ich von der hinderlichen Leine erlöst und konnte mich somit etwas freier bewegen! Um die lärmenden Hündinnen dieses Reviers wenigstens etwas zu beschwichtigen, warf ich mich flach auf den Boden und wagte vorerst nicht, mich auch nur zu mucksen, trotzdem die Größere der Beiden anfing, mich kokettierend zu locken. Ich fühlte mich erniedrigt und die Tatsache, den Launen einer Horde zwei- und vierbeiniger Weiber ausgesetzt zu sein, vervielfachte meine Qual. Die Herrin des Hofes herrschte die Hitzköpfigen an,
was mir eine Verschnaufpause gewährte, ging den Hof hinauf, verschwand hinter einem Gebäude und kam mit bekümmerter Miene zurück.
Alsbald erschien aus der gleichen Richtung kommend ihr Gefährte, wie ich sofort bemerkte – endlich Jemand, der mich verstehen mußte... doch sein Blick glitt mürrisch über mich hinweg, als er vorüberging!
Als die Sonne schon tief stand ertönte aus der Behausung der Zweibeiner ein Pfiff, worauf ich plötzlich allein war – es roch nach Futter. Die Zweibeinerin erschien und gebot mir, ihr zu folgen... ich zauderte und so griff sie die Kette an meinem Hals und zog mich mit ihr – Stufen hinauf zu einer Schüssel voller Futter. Oh nein, ich mochte nicht! Ich wollte nicht hier sein!
Weiter oben schmatzten die Anderen und würden sich anschließend auf mich stürzen, um ihr Recht auf dieses Futter zu erzwingen! Ich floh hinab, wurde jedoch sogleich wieder zum Futter gebracht - jetzt war auch die Gefahr eines Angriffes durch meine Artgenossinnen gebannt – sie waren auf einmal verschwunden! Trotzdem war mir noch immer nicht danach, zu fressen, was zur Folge hatte, daß bald beide Zweibeiner bei mir saßen. Der zuvor Mürrische gab nun versöhnliche Laute von sich - ein Hoffnungsfunke. Ermutigend schob er mir einige Futterbrocken in’s Maul und veranlaßte mich erneut, zur eigenständigen Futteraufnahme und endlich wagte ich es vorsichtig. Während ich die wohlschmeckenden, aber ungewohnt harten Brocken einen nach dem anderen knabberte, blieb er neben mir stehen und ermunterte mich.
Ich spürte, wie weiter oben die Hündinnen eifersüchtig lauerten, trotzdem konnten sie mir nicht zu Leibe rücken. Später wurde ich hinauf geführt, wir betraten einen Raum, in dem ich durch meine Widersacherinnen noch argwöhnischer als im Hof empfangen wurde, was allerdings auf der Stelle durch die zweibeinigen Alphas unterbunden wurde, indem sie Jeder ihr Lager und Ruhe geboten. Mein Beschützer nahm eine höhergelegene Liegestatt ein und wies mir einen Platz direkt neben sich. Erleichtert folgte ich seinem Wunsch, schmiegte mich dankbar an seine Seite. Weiche Laute von sich gebend trat bald darauf sein Weibchen zu uns heran, berührte versöhnlich seinen Kopf mit dem Ihren, nachdem auch er in ähnlicher Weise antwortete.

Die folgenden Tage waren für mich gekennzeichnet von gegenseitigem Kennen- und Vertrauenlernen, zaghaftem Spiel mit Alisha – wie die ausgeglichenere Schönheit gerufen wurde - und Jacky’s – der Scheckigen - zergendem Treiben. Zumeist jedoch suchte ich die wohltuende
Nähe des Hofherrn, er war ein Alpha, von dem ein junger Rüde wie ich Vieles lernen konnte und die Sprache seines Körpers zeigte mir mehr und mehr, daß er mir wohlgesonnen war.
Sehr bald begriff ich, wie meine neuen zweibeinigen Alphas sich nannten, „Uli“, der Hofherr und seine Gefährtin „Sylvie“. Ich lernte sogar mehr und mehr, die vielfältigen Laute dieser Beiden zu unterscheiden. So riefen sie die auf dem Hof tonangebende Scheckenhündin „Jacky“, aber die mir recht wohlgesonnene Schönheit „Alisha“.

Zuvor lebte ich ganz gut von Welpenbeinen an bei Lisa und deren Katze Minka, meiner Freundin am Rande der großen Stadt, wo salzige Brisen von naher See kündeten.
Ich war der kleinste Sohn meiner Mutter – einer anmutigen Dogge - und eines prächtigen Rüden, der die Verwegenheit eines Kangals mit dem Edelmut eines Großen Schweizer Sennenhundes in sich vereinte. Mutter traf unseren Vater einst häufig bei Spaziergängen entlang der Alster. Sie bewunderte seine Willensstärke, die ihm die Erhabenheit verlieh, seinem Herrn ein loyaler, jedoch keinesfalls bedingungslos ergebener Gefährte zu sein – und Mutter entbrannte bald in heimlicher Liebe zu diesem Rüden. So manche Nacht lauschte sie unweit ihres Heimes, seinem sonoren Heulen, dem sie nur zu gern gefolgt wäre – doch ihr gestrenger Herr gebot ihr stets, zu schweigen, noch erschien es ihr möglich, die Umfriedung ihres heimatlichen Vorstadtgartens zu überwinden.
Irgendwann, als Mutters Sehnsucht schier unerträglich wurde, vernahm sie nächtens wieder sein durchdringendes Rufen, das ihr schmachtendes Herz erbeben ließ. Diesmal jedoch änderte es seine Richtung und... !! Aufgeregt stand sie nunmehr am Zaun und hielt gebannt Ausschau, hob immer wieder ihre Nase in den Wind, welcher mit betörendem Duft das Nahen ihres Auserkorenen verkündete. Es dauerte auch nicht lang und er landete mit einem kühnen Satz neben ihr. Obgleich ihre unbändige Freude es ihnen erschwerte, so verhielten sie sich dennoch leise, so lautlos es nur irgend möglich war und so störte nichts und Niemand die Inbrunst ihres heißen Tête â Tête in lauer Frühjahrsnacht.
So erzählte es Mutter meinen Wurfgeschwistern und mir, als wir alle noch in glücklichen Zeiten vereint, bei ihr weilen durften. Jedoch gar manches Mal beklagte sie wehmütig, daß ihr zweibeiniger Gebieter – wahrlich ein Tyrann – voller Unverstand seiner Mißbilligung Ausdruck verlieh, als er herausfand, daß sie „Bastarde“, wie er uns später verächtlich nannte, im Leibe trug! Oft lag sie deshalb mit tiefliegend-traurigen Augen im Zwinger, den sie seither nicht mehr von außen sehen durfte. Hin und wieder schafften wir Welpen es, sie mit unserem ausgelassenenen Spiel - oder hernach ermüdet ihre Nähe suchend – sie aufzumuntern.
Allerdings sollte unser zartes Glück nicht von langer Dauer sein.
Ich erinnere mich noch sehr genau - kaum hatten wir begonnen, uns für den gefüllten Futternapf unserer Mutter zu interessieren – als es unserer Mutter fast das Herz brach, während meine Geschwister Eins nach dem Anderen von irgendwelchen Zweibeinern abgeholt wurden!
Nur mich, den Kleinsten und bald darauf Einzigen ihr verbliebenen Welpen, wollte scheinbar und zu ihrem letzten Trost glücklicherweise, Niemand haben! Noch immer zerreißt es mir fast das Herz, wenn ich an die ihrem todtraurigen Herzen letztlich innewohnende Mutterliebe denke, mit der sie mich wie ihren Augapfel hütete und umsorgte.

SiDs 2003

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